Klimaschutzkonzept für SüW – Stellungnahme

Für die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Kreistag Südliche Weinstraße, Gerd Müller

Sitzung des Kreistags am 26. 9. 2022 Stellungnahme zu TOP 4:
Integriertes Klimaschutzkonzept des Landkreises SÜW

Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrte Damen und Herren des Kreistags, liebe Gäste,

„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert“.

Das hat uns Albert Einstein als allgemein gültige Lebensregel hinterlassen. Ähnlich wie bei seiner Relativitätstheorie muss man mehrmals darüber nachdenken, wie, und was er wohl damit gemeint hat und in diesem Fall noch dazu, was das mit einem Klimaschutzkonzept zu tun hat.

Naja, es gibt dem nachfolgend Gesagten vor Allem etwas mehr Wahrhaftigkeit. Obwohl der Satz in abgewandelter Form besser zuträfe.
Es ist Wahnsinn nichts zu tun weil sich gerade etwas ändert, das Klima nämlich zu Ungunsten der Lebensform Mensch. Das Konzept legt offen, dass wir im Kreis Südliche Weinstraße als Hot Spot Gebiet des Klimawandels eingestuft sind. Ein „Weiter so“ beim Verbrennen fossiler Energieträger bedeutete nicht nur den im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegten 1,5 Grad Pfad der globalen Klimaerwärmung zu verlassen, sondern das Klima weit darüber hinaus anzuheizen.

Im Konzept findet man die Angaben von heute durchschnittlichen Jahrestemperaturen hier im Kreis von 10,6 Grad auf 14 Grad Celsius Ende des Jahrhunderts, wenn keine Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden. Die Folgen haben wir in diesem Hitzesommer schon vor Augen gehabt. Europaweit waren Bäche und Flüsse fast oder gänzlich ausgetrocknet, nicht mehr schiffbar, fielen als Transportwege, als Wasserlieferant für die Kühlung in Atomkraftwerken aus. Weiteres muss ich nicht aufzählen.

Missernten, brennende Wälder in Europa, laut Pressemeldung von Mitte August waren es 660.000 ha, fast vier mal die Fläche des gesamten Pfälzer Walds – weg, verkohlt, verbrannt. Der reine Wahnsinn, alles beim Alten zu belassen. Ich könnte Ihnen jetzt noch einige Zahlen, Fakten, Argumente auszugsweise aus dem Konzept vorlesen – sie liegen Ihnen vor – Fakt ist, dass eine Agenda des Gegensteuerns kein „nice to have“ mehr ist und keine Konjunktive „müsste“, „könnte“, „sollte“ mehr beinhalten darf. Dazu hat Herr Steiner einen Maßnahmenkatalog erstellt, der zügig und zeitnah umzusetzen ist.

Jeder kann ihn nachlesen und er ist eigentlich deckungsgleich mit dem, was wir Grünen seit Jahren fordern. Einige Stichworte: mehr und besserer ÖPNV, Radwege, Carsharing, Elektromobilität, Erhalt der Biodiversität und die Erzeugung Erneuerbarer Energien, schwerpunktmäßig Photovoltaik oder Windkraft, in Trägerschaft kommunaler Gesellschaften oder finanziert durch Bürgergenossenschaften, damit die Wertschöpfung der Energieerzeugung bei uns verbleibt und nicht etwa in Regionen mit autoritären Regimen abfließt. Im Umweltausschuss war man sich da einig.

Das enorme Potential ungenutzter Dachflächen muss für die Photovoltaik ausgeschöpft werden, große Freiflächenanlagen sind projektiert. Bürger können in Eigenregie oder mit ihrer Beteiligung vieles bewirken. Aber das Gros der Energieerzeugung, vor Allem für Gewerbebetriebe und Industrie, kommt aus der Windkraft und hier sind die Kommunen gefragt, entsprechende Flächen für deren Nutzung auszuweisen. Die Änderungen der Flächennutzungspläne dahingehend und des Teilregionalplans Windkraft sind zügig anzugehen.

Was naturschutzfachliche Belange bei der Ausweisung der Flächen angeht, werden die entsprechenden Fachbehörden diese schon rechtzeitig einfordern. Ob die Windhöffigkeit ausreicht, steht auf einem anderen Blatt.

Mussten die Erneuerbaren Energieträger vor dem Ukraine Krieg noch gegen die Billigkonkurrenz der Fossilen Energien in Höhe von wenigen Cents pro KWh angehen, geht es jetzt eher nachrangig um die Wirtschaftlichkeit in der Produktion sondern in erster Linie, ob eine Versorgungssicherheit überhaupt gewährleistet werden kann. Zudem sind die Erneuerbaren die nachhaltigsten und preiswertesten in der Produktion von Strom.

Die Wertschöpfung in der Region zu halten ist ein Argument für den Ausbau der Windenergie im Rheintal zwischen dem Haardtrand und dem Rhein. Es geht aber um mehr: Es droht die Gefahr der Abwanderung nicht nur energieintensiver Betriebe aus unserer Region, wenn Energie und Strom zu teuer oder unzuverlässig lieferbar sind, auch die Zukunftstechnologie Wasserstoff ist angewiesen auf Energieproduktion.

Letztlich leben die Haushalte der Kommunen von den Steuern der Betriebe und Unternehmen und die mit ihnen verbundenen Arbeitsplätze schaffen Wohlstand und sozialen Frieden.
Es ist ein feingesponnenes Netz ökonomischer und ökologischer Verflechtungen, das da gerade in Gefahr gerät, wenn man alles beim Alten belässt. Herr Steiner hat bei der Erstellung des Klimaschutzkonzepts ganze Arbeit geleistet – Respekt dafür und ein großes Lob von unserer Seite.
Es ist die Grundlage, Anträge auf Fördermittel zu Einzelmaßnahmen zu stellen und ein Wegweiser unseres Handelns. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen, ohne Parteiengezänk oder politische Befindlichkeiten. Das sind wir unseren Bürgern schuldig.

Energie- und Ressourceneinsparungen, der Ausbau Erneuerbarer Energien und ein Umdenken im Verhalten sind einfach „Alternativlos“. (Merkel)

Schließen möchte ich mit einer Mahnung an die, die den Klimawandel ausschließlich als natürliches Phänomen betrachten wollen:
„Die Zeit wird kommen, wo unsere Nachkommen sich wundern, dass wir so offen- bare Dinge nicht gewusst haben wollen“
(Lucius Annaeus Seneca)

für die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Kreistag Südliche Weinstraße, Gerd Müller